Das Weltfest des Pferdesports 2019 – wenn Veranstalter Flagge zeigen und ein Turnier zum Spektakel wird

Emotional mit Herzenspferd: Isabell Werth und Bella Rose

Eigentlich macht es das jedes Jahr, denn der Concours Hippique International Officiel (kurz: CHIO) ist ein ein Garant für Reitsport auf allerhöchstem Niveau, immer verbunden mit medialer Aufmerksamkeit und einem Who-Is-Who-Stelldichein der Region, ihren Sponsoren und – zur Media Night – auch der Stars und Sternchen. 

Journalistisch ist unter den 600 Fachleuten so ziemlich alles vertreten. In Aachen trifft sich der seriöse Fachjournalist, der das Reglement auswendig kennt und nicht selten selbst schwerste Lektionen zu reiten vermag, mit Lifestylereportern, Social Bloggern und Sportredakteuren der großen Tageszeitungen aus vieler Herren Länder.
Apropos Länder, der CHIO kommt europäisch daher. Nicht nur, dass sich der Austragungsort geografisch an Belgien und die Niederlande schmiegt, es wird auch jedes Jahr ein Partnerland präsentiert. In diesem Jahr legte sich französischer Flair über die Aachener Soers und begleitete Akteure und Zuschauer von der Eröffnungsfeier bis zum Abschied der Nationen.

Gefühlt setzte der CHIO 2019 jedoch allem die Krone auf. 368.500 Zuschauer besuchten die Veranstaltung und die Begeisterung legte sich wie eine Kuppel über das Gelände. Es scheint, alle Anwesenden verschmölzen zu einer Einheit, eine eigene Welt entsteht und der Zauber des CHIO entführt aus dem Alltag, lässt Sorgen verblassen und schenkt unvergessliche Momente. Ja, auch das ist seit Jahrzehnten so, aber woher kam dann das i-Tüpfelchen 2019? Manche sagten, es läge am Wetter. Anderen waren sich sicher, die perfekte Organisation wäre verantwortlich und viele waren sich einig: toller Sport hätte es zu verantworten. Alles richtig, aber auch das gibt es jedes Jahr. Stimmt, das Wetter hat, bis auf den Samstag, toll mitgespielt. Aber ehrlich? Selbst der größte Wolkenbruch oder tiefe Temperaturen können dem CHIO etwas anhaben. Die Macher haben schon alles erlebt und sind vorbereitet. An all dem kann es nicht liegen. So erlauben wir uns an dieser Stelle eine Vermutung aufzustellen und dem Geheimnis der kollektiven Gänsehautmomente auf den Grund zu gehen.

Dazu blicken wir zurück auf einige anklagende Berichterstattungen über die Reiterszene insgesamt und die Prüfungsvorbereitungen beim CHIO im Besonderen. Wo die schnelle Verbreitung einer kurzen Sequenz via Social Media in vielerlei Hinsicht ganz wunderbar ist, so zerstörerisch kann eine fehlerhafte Darstellung eines kurzen Ausschnitts sein. Und genau damit hatte die Pferdesportszene im Vorfeld des CHIO auch in diesem Jahr zu kämpfen. Auch das ist alles nicht neu, doch in diesem Jahr wurde wohl besser an Maßnahmen gearbeitet und die Umsetzung erfolgte konsequent. Versetzen wir uns einmal in die Lage der für die artgerechte Vorbereitung der Vierbeiner verantwortlichen Stewards am Rande der Abreiteplätze: Da sind auf der einen Seite die unterschiedlichsten Zuschauer, die in Aachen beste Sicht auf die Orte haben, an denen die Reiter ihre Pferde kurz vor dem Wettkampf fit für die große Aufgabe machen, die Pferd und Reiter allerhöchste Konzentration abverlangt. Dann sind dort die besten Reiter der Welt, Vorbilder, Idole, Objekte der Kritiker und starke Persönlichkeiten, die fast alle wissen, was sie tun. Nicht vergessen wollen wir die Funktionäre, Sponsoren und betuchten Pferdebesitzer, die oft allein durch ihre Anwesenheit Umstehende Haltung annehmen lassen. Inmitten all dieser Charakter ist es die Aufgabe der Stewards, einen nicht korrekten Umgang mit dem Sportpartner Pferd zu erkennen und zu ahnden. 

Natürlich ist dies auch in der Vergangenheit passiert, aber nicht in perfektem Maße für jedermanns Geschmack. Die Konsequenz eines Einschreitens seitens der Stewards hat weitreichende Konsequenzen, die wir hier nicht näher bezeichnen wollen, aber überall, wo Finanzen eine Rolle spielen – und das tun sie im Reitsport, denn sonst wären solche fulminanten Darbietungen kaum möglich – ist Fingerspitzengefühl bei der Gratwanderung auf Messers Schneide gefragt. Eine enorme Aufgabe für die Stewards, bei der sie – und das war neu in diesem Jahr beim CHIO – Rückenwind bekamen. Wir nennen es absichtlich nicht Rückhalt, denn der war nicht nötig, bestenfalls sollte immer zum Wohl der Pferde entschieden werden, Moneten hin oder her. Rückenwind in Form zweier Info-Stewards, die direkt am Laufweg ins große Dressurstadion positioniert wurden und die dort für Fragen der Zuschauer zur Verfügung standen. Der ausrichtende Aachen-Laurensberger Rennverein e.V. (ALRV) richtete diesen Service gemeinsam mit der Deutschen Reiterlichen Vereinigung ein um bestmöglich zu informieren und vergangenen Fehlinterpretationen vorzubeugen. 

Diese Aufgabe übernahmen Thies Kaspareit und Wolfgang Egbers, beide gelten als Ausbildungsexperten. Gab es im Vorfeld Zweifler sowohl an Notwendigkeit als auch an Inanspruchnahme, stellte sich nun heraus, dass mit dieser Aktion positive Effekte erzielt wurden: Dem Publikum wurde signalisiert „Seht her, wir unternehmen etwas“; die Stewards konnten die große Verantwortung teilen und zwei- und vierbeinige Aktive konnten noch größere Aufmerksamkeit genießen. Und die „Neuen“ in ihrer Rolle der Info-Stewards machten eine hervorragende Figur. Alle Fragen wurden geduldig, freundlich und informativ beantwortet. Ausführliche Erklärungen boten kaum mehr Platz für Zweifel und machten das ohnehin schon hervorragend geschulte Aachener Publikum nur noch kompetenter.
Wir finden, dies war eine hervorragende Maßnahme der Veranstalter, um das große Bemühen um fairen Sport zu unterstreichen. Situationen, in denen die Stewards einschreiten mussten, ließen sich sozusagen an einer Hand abzählen. Missverständnisse konnten durch frühzeitige, mutige Kommunikation vermieden werden und das für alle sichtbare Ergebnis bot allemal Grund zur Freude: erstklassigen Spitzensport mit jenen Hauptdarstellern, die uns allen zutiefst am Herzen liegen – den Pferden.

Ein Concours Hippique International Officiel (CHIO, aus dem Französischen übersetzt: Internationaler Offizieller Pferdesport-Wettbewerb) ist ein von der International Federation of Equestrian Sports (FEI) ausgerichtetes internationales Pferdesport-Turnier mit Prüfungen in mehr als einer Disziplin. Ein CHIO beinhaltet also z. B. einen CSIO (Springen) und einen CDIO (Dressur). In jedem Mitgliedsland der FEI darf jährlich ein CHIO stattfinden. Bedeutende CHIOs sind der deutsche CHIO Aachen und der niederländische CHIO Rotterdam.