Mariam Kühsel-Hussaini - über große Männer und ihre Taten

Autorin Mariam Kühsel-Hussaini (©Patrick Bienert)

Kunst, Kommerz und Kaiserzeit. Diese drei Komponenten stellt die junge Autorin ihrem Protagonisten HUGO VON TSCHUDI zur Seite. Ein genialer Zug, doch selbst ohne die drei Ks hätte es der große Schweizer geschafft, sich über Mariam Kühsel-Hussaini in die Köpfe und Herzen der Leser zu bringen. Der Roman TSCHUDI ist ein Kunstwerk aus lyrisch lebendiger Sprache und malt eindrucksvolles Kopfkino.

Kunstgeschichte einmal anders. Schwungvoll, hell und fast kapriziös wirkt der große Adelige aus der Schweiz, wenn Mariam Kühsel-Hussaini TSCHUDI zu Hochzeiten beschreibt. Vergessen ist dann der leidende Kranke, der durch die Krankheit lupus vulgaris schmerzerfüllt und im Gesicht entstellt ist. Zurück bleibt der Schwärmer, der Kenner, der fanatische Sucher. Und doch sucht er nicht, TSCHUDI findet. Er findet die großen Impressionisten seiner Zeit in Frankreich, Italien und Spanien.  Knüpft Kontakte, findet Mäzene, schürt das Feuer der Leidenschaften in seinen Zeitgenossen. Er ist ein Networker par excellence. 

Als Direktor der Berliner Nationalgalerie ebnet TSCHUDI Wege für die Kunst und lenkt den Blick auf die Impressionisten des 19. Jahrhunderts. Unter seiner Regie kommen sie zusamme. Renoir, Monet und Cézanne bilden mit Menzel, Liebermann und Leistikow und vielen anderen ein Konvolut der damaligen Kulturlandschaft im Kaiserreich. Zumindest im Roman.

Bestes Lesevergnügen ist denjenigen Lesern vergönnt, die sich auf die wundervolle lebensnahe, bunte Sprache der Autorin einlassen. Einige Passagen von Mariam Kühsel-Hussaini scheinen erlebter als jeder Museumsführer:

(Hugo von Tschudi führt Cosima Wagner durch die Galerie) „Die Haut, wie er die Haut herausarbeitet, schauen Sie doch nur, dies rötliche Weiß. Und dann, was ist das … hier … und auch hier … die Polsterung der Stühle, der getrocknete Schlamm an den Stiefeln, das ist doch Malerei … Malerei, die sich selbst verlässt, weil sie es kann.“

Auch TSCHUDIS Gegenspieler gibt die Autorin allein verbal eine gültige, grob umständliche Attitude wenn sie erzählt: 

„Wilhelm II. stapfte abends durch den Grunewald zurück zum Jagdschloss.“

„Vom Gefolge gefolgt betraten sie das Schloss seitlich.“

Der gut 300 Seiten lange Roman ist voll von poetischer Lyrik, humorvoller Leichtigkeit und tiefer Traurigkeit. Eine nicht geringe Portion „Berliner Schnauze“ lässt die Herzen der Hauptstadtliebhaber höher schlagen und bei denen, die sik in Berlin jut auskenn zaubert Kühsel-Hussaini ein „Kenn ick janz jenau“-Lächeln uffs Jesicht.

Vorsicht! Um eines kommt der Leser nicht herum: einen Besuch auf der Museumsinsel. Um dann directement in die Alte Nationalgalerie zu stapfen – TSCHUDIS Wohnzimmer.

Copyright Reproduktion nach Ernst Schwedeler-    Meyer (Hg.): Gesammelte Schriften zur neueren Kunst von Hugo von Tschudi, München 1912

1896. Berlin. Die Nationalgalerie Deutschlands erwirbt und zeigt als erstes Museum der Welt die Pariser Moderne: Manet, Monet, Renoir, Rodin. Ein Mann unternimmt das Wagnis, Hugo von Tschudi.
Gegen den deutschen Kaiser, gegen die konservativen Fraktionen in der Gesellschaft, gegen alles, was ihn aufhalten will. Ein Augenblick nur, doch die ganze Welt liegt vor einem ausgebreitet und Berlin wird die Welt. Vom Stadtschloss aus blickt Wilhelm II. voll Hass auf diesen neuen Direktor der Nationalgalerie, auf die bunten Flecken der neuen Bilder der Impressionisten und auf die Franzosen, Hass, der noch wachsen wird, befeuert vom Lieblingsmaler des Kaisers, Anton von Werner.
Um die Ecke am Pariser Platz wohnt Max Liebermann, der zu Tschudi hält. Der große Künstler Berlins, Menzel, schattiert sein eigenes Universum scheinbar jenseits der Kunstfronten und ist doch ihr heimliches Geheimnis.
Großindustrielle, Geldgeber, Politiker, Schnürsenkelverkäufer – Tschudi immer inmitten, Tschudi, der sehr groß gewachsene Mann mit der Wolfskrankheit, die sich immer weiter in sein Gesicht beißt, läuft unaufhaltbar und unübersehbar durch die Straßen, die Salons und das Geflüster einer erwachenden Stadt und seine dunklen Augen brennen aus der für ihn angefertigten Gesichtsmaske hervor, die fortan gestreichelt wird von einer spanischen Adligen.
Eine wahre Geschichte, jeden Traum wert, jede Farbe und jedes Licht . . .