HAMILTON - seit Herbst 2022 im Hamburger Operettenhaus (Foto: Johan Persson)

Am 6. Oktober 2022 feierte HAMILTON – Das Musical seine umjubelte Deutschlandpremiere. Ein Jahr später soll der letzte Vorhang fallen. Kaum zu glauben.

Es ist ein Freitagabend im April, die Abendsonne lässt den HAMLTION Schriftzug am Hamburger Operettenhaus in Goldtönen glänzen. Ich fühle mich gut vorbereitet auf meinen ersten Besuch des Rap-Musicals. Wikipedia weiß viel über den Titelhelden Alexander Hamilton und auch sein Gegenspieler Aaron Burr wird mir online vorgestellt. Ich begleite in der Vorstellung also Hamilton – als Gründervater und erster Finanzminister der USA in die Geschichtsbücher eingegangen – auf seinem Weg zum politischen Erfolg mit Höhen und Tiefen, zu seiner eigenen kleinen Familie, zu seinen Liebschaften bis in den Tod. Es geht um Männerfreundschaft, Loyalität, Freiheit, Macht und Liebe. Eins vorausgeschickt: Selten war ich dem Netz im Nachhinein so dankbar für geschichtsträchtige Informationen.

Dann hebt sich der Vorhang und das Bühnenbild in schlichten Erdtönen zieht mich ins amerikanische Gemäuer der Gründerzeit. Schlicht, aber fordernd. Aaron Burr (Gino Emnes) resümiert rappend was damals passierte und in den nächsten knapp drei Stunden auf der Bühne nachgespielt werden wird – und ich bin mit dem ersten Ton „on“ und bleibe es zu 100 Prozent, bis der Vorhang fällt. Zurück bleibt Euphorie und erfüllende Erschöpfung. Was eine Meisterleistung aller Akteure. Diese Menge an Text, die Bewegung auf der Bühne, das Zusammenspiel des Ensembles und die rasante Handlung verlangen Aufmerksamkeit und Konzentration von allen Beteiligten. Ich weiß nicht, wann ein Musical zuletzt so viel von mir gefordert hat, und das meine ich im positivsten Sinn. Diesem Stück fehlt es an nichts. Für mich ist es ein  Meisterwerk in der Geschichte des Musiktheaters.

Ganz falsch kann ich mit der Meinung nicht liegen, denn Michelle Obama bezeichnet das Stück sogar als „das größte Kunstwerk, das ich je gesehen habe“. 

Nun ja, eine Kleinigkeit fehlte mir doch, aber dazu später mehr …

Dernière schon im Oktober

Bei der Vorstellung, dass im Oktober die Dernière sein wird, blutet mein Herz. Wie kann es sein, dass ein Stück von dieser Qualität aufgrund schlechter Ticketverkäufe – so der offizielle Grund (bei meinem Besuch, am 21. April, ist der Saal so gut wie ausverkauft) – nach nur einem Jahr, an nur einem deutschen Spielort eingestellt wird? Zudem ein Stück, welches in Amerika  Rekorde gebrochen hat:

  • HAMILTON schlug am Broadway ein wie eine Bombe – und wurde vom Start weg in jedem Jahr das einnahmenstärkste Musical der USA. 
  • Schon im Vorverkauf setzte die US-Produktion 57 Millionen Dollar mit Tickets um – ein Allzeitrekord. 
  • In nur einer Woche spielte das Musical 3,3 Millionen Dollar ein – das hat bis heute kein anderes geschafft. 
  • Mit 988 Dollar hält das Stück auch den Rekord des höchsten Preises, der jemals an einer US-Abendkasse für eine Theaterkarte gezahlt wurde. 
  • Darüber hinaus belegen etliche Preise und Auszeichnungen (fast 50!) Rang und Popularität von HAMILTON als Meilenstein der Musicalgeschichte. 
  • Bei den Tony Awards (den Oscars der Musicalwelt) war HAMILTON sogar für 16 Preise nominiert – so viele wie noch nie eine andere Produktion. Elf davon hat die Show gewonnen, unter anderem den begehrtesten Tony als „Bestes Musical“. 
Auch die deutsche Produktion trumpft mit  beeindruckenden Fakten auf:
34 Castmitglieder stammen aus 13 Nationen. Kevin Schröder und Sera Finale haben dreieinhalb Jahre an der deutschen Übersetzung gefeilt. Die 47 Songs umfassen 24.000 Wörter. Das Bühnenbild war vier Wochen auf hoher See unterwegs, eher es in Hamburg ankam.
 

Warum wird all das tatsächlich nur für ein Jahr sein?

Ich gebe diese Frage weiter an Michael Rohde (Head of PR bei Stage Entertainment):

„Es ist  nicht eindeutig zu erklären. Vielleicht ist es der falsche Ort zur falschen Zeit. Viele glauben auch, dass es zu anstrengend ist für Zuschauer. HAMILTON – Das Musical  fordert mehr als andere Stücke des Genres Musiktheater. Es passiert unentwegt etwas auf der Bühne, man muss schon ganz konzentriert bleiben, sonst ist man raus. Bei anderen Stücken kann man die Gedanken schweifen lassen, wenn man das bei HAMILTON macht, ist man raus. Vom Anspruch an den Zuschauer ist das Stück eher mit einer Oper zu vergleichen, als mit Musicals. Und ja, der schlechte Ticketverkauf ist der Grund für das Aus.“

Auf meine Frage, ob es eine Wiederaufnahme von HAMILTON in Deutschland geben wird, rät Michael Rohde: „Ich empfehle jedem, der das Stück in deutscher Sprache sehen möchte, noch bis Oktober nach Hamburg zu kommen.“ 

People of color in allen Rollen

Eins hat das Stück jedenfalls bewiesen, und dafür ist kein Aufwand zu hoch: Die Veranstalter haben mit HAMILTON – Das Musical gezeigt, dass man alle Stücke mit people of color besetzen kann. Burr-Darsteller Gino Emnes hat jüngst in einem Interview  mit dem NDR seine ganz persönliche Intention zu diesem Thema auf den Punkt gebracht: „HAMILTON – Das Musical zeigt, dass people of colour normale (weiße, Anm. der Red.) Menschen spielen und nicht nur in Produktionen wie SISTER ACT  oder KÖNIG DER LÖWEN zum Einsatz kommen.  Das ist durch HAMILTON auf jeden Fall leichter geworden. Aber ich kämpfe weiter dafür, dass es normal wird.“

Wie wunderbar wäre es, wenn wir in ein paar Jahren mit keinem Wort erwähnen würden, dass das PHANTOM DER OPER, GRAF VON KROLOCK oder DIE EISKÖNIGIN von poeple of color gespielt wird. 

Das Publikum liebt King George

Die Tatsache, dass der Cast multikulturell ist, macht den einzigen deutschen Darsteller fast zu etwas Besonderem. Auch sein Auftritt ist eines der vielen  Highlights der Handlung. Wenn Jan Kersjes im Kostüm als King George auf die Bühne schreitet, rastet das Publikum schier aus, noch eher er einen Ton gesungen hat. Die Präsenz des Monarchen füllt die ganze Bühne und die Mimik des Schauspielers ist grandios. Obwohl die Thematik Ernst ist – schließlich geht es um Krieg und Frieden – bricht der Saal in schallendes Gelächter aus. So wunderbar komisch, grotesk und größenwahnsinnig dargeboten.

Die Schau stiehlt der König niemandem, denn die relativ kurze Sequenz kann der ausdauernden Spielfreude des ganzem Ensembles nichts anhaben. HAMILTON (Benét Monteiro), BURR (Gino Emnes), WASHINGTON (Charles Simmons), JEFFERSON (Daniel Dodd-Ellis), MADISON (Alessandro Cococcia), Philip HAMILTON (Oliver Edward) und die fantastischen SCHUYLER-Töchter (Myrthes Monteiro, Chiara Fuhrmann, Mae Ann Jorolan) sowie das ganze Ensemble bei meinem Besuch schreibt ein unvergessliches Stück Musicalgeschichte. Die Musiker werden an diesem Abend dirigiert von Philipp Gras.

Was mir aller Begeisterung zum Trotz fehlt? Ein ausführlicher Schlussapplaus. Wie gerne würde ich jedem einzelnen Darsteller Respekt zollen und für diese wundervolle Erfahrung danken.

 

Szenenfotos Stage-Entertainment, © Johan Persson

Die Handlung:

HAMILTON erzählt die spannende Geschichte vom Aufstieg und Fall Alexander Hamiltons, einem der Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika. Als karibischer Einwanderer arbeitet er sich mit Mut, Charme und Intelligenz nach ganz oben, wird im Laufe seines Lebens Adjutant George Washingtons, heiratet in eine der angesehensten Familien des Landes und kämpft im Unabhängigkeitskrieg gegen die Engländer. Als Co-Autor der neuen Verfassung und erster Finanzminister der USA prägt er das Wesen der jungen Nation entscheidend mit. Sowohl Hamiltons Familienleben als auch seine politische Karriere sind durch sein stürmisches Temperament zahlreichen Höhen und Tiefen ausgesetzt. So mündet seine Fehde mit seinem früheren Freund und späteren politischen Gegner, Aaron Burr, in einem dramatischen Duell am Morgen des 11. Juli 1804, bei dem er tödlich verwundet wird. Doch Eliza Hamilton, Alexanders Witwe, hält sein Andenken lebendig. 

Er war revolutionär – und ist es immer noch: Als Gründervater der USA schrieb Alexander Hamilton Geschichte. Bis dato ziert sein Porträt die amerikanische 10-Dollar-Note. 

Broadway-Autor und Komponist Lin-Manuel Miranda katapultiert seine Story rund um Macht, Loyalität, Freiheit und Liebe mit einer noch nie dagewesenen Inszenierung ins Hier und Jetzt. Der Pulitzer-Preisträger erschafft aus dem historischen Stoff mit einem modernen Sound ein vollkommen neuartiges Musical-Erlebnis. Schlagfertige Rap-Battles treffen auf eingängige Pop-Balladen, energiegeladene Choreografien auf ein einzigartiges Lichtdesign. Dieser Stilmix sorgt für ordentlich Tempo und erschafft eine wortgewaltige, emotionale Live-Show, bei der jeder Satz sitzt. 

HAMILTON, Gewinner von Tony®-, Grammy®- und Olivier Awards sowie des Pulitzer-Preises für Drama, ist ein Musical mit tiefgreifendem Einfluss auf Kultur, Politik und Bildung. Und somit nicht weniger als ein Stück Revolution! 

 

Die Musik:

Lin-Manuel Miranda hätte für HAMILTON keine bessere Sprache finden können als den Hip-Hop – eine stark rhythmisierte Musik, die einst vor allem den unteren sozialen Schichten in amerikanischen Großstädten eine Stimme schenkte. Damit schuf er ein revolutionäres Stück Theater – ein Musical mit tiefgreifendem Einfluss auf Kultur, Politik und Bildung. Neben dem Hip-Hop vereint HAMILTON eine Vielfalt an weiteren Genres, die sich von Rap über Jazz, Pop, Rhythm and Blues, Soul und Funk erstreckt. Durch die erstklassige Genrekombination schafft Lin-Manuel Miranda einen neuen Stil und liefert damit auch auf musikalischer Ebene einen bemerkenswerten Innovationsschub in der Musicalgeschichte. 

Wortgewaltig: modern, kraftvoll, spielerisch. 

Ein Vergnügen und faszinierend zugleich, wie Gedanken durch Rap Kontur gewinnen. Egal, ob Frauen- oder Männerstimme, Duett-Battle oder Ensemble. HAMILTON verkörpert den Reiz der Reime und gleichlautenden Vokale, sogar innerhalb der Worte einer Textzeile – das alles in einem verblüffend hohen Tempo. Damit hat HAMILTON im Vergleich zu anderen Musicals mehr als doppelt so viele Worte. Und jedes davon sitzt! 

Das Cast-Album. Neu interpretiert. 

Die Original-Cast-Aufnahme von HAMILTON wurde sechsfach mit Multiplatin ausgezeichnet und ist damit die meistverkaufte Cast-Aufnahme aller Zeiten. „The HAMILTON Mixtape“, ein Begleitalbum zum Original Broadway Cast Recording mit Songs aus der Broadway-Show, von einigen der Topkünstler:innen unserer Zeit neu abgemischt und reproduziert, startete auf Platz eins der Billboard-Top-200-Alben-Charts. Auf dem Mixtape sind Künstler:innen wie Sia, Queen Latifah, Ja Rule, Alicia Keys, Nas, Usher und John Legend zu hören. 

(Quelle: Stage Entertainment)

HAMILTON – allgemeine Informationen 

Anschrift: 

Stage Operettenhaus 

Spielbudenplatz 1 

20359 Hamburg 

Vorstellungen: 

Dienstag 18:30 Uhr 

Mittwoch 18:30 Uhr 

Donnerstag 20:00 Uhr 

Freitag 20:00 Uhr 

Samstag 15:30 Uhr & 20:00 Uhr 

Sonntag 14:30 Uhr & 19:00 Uhr 

Preise: 

Tickets ab 55,90 € auf www.musicals.de 

Endpreis inkl. aller Gebühren, USt. fällt nicht an. Bei Buchung über diese Internetseite oder Hotline fällt pro Auftrag zusätzlich eine Pauschale für Versand (5,20 €) an, die Zustellung per ticketdirect oder Mobile Ticket ist gebührenfrei. Kein Einlass für Kinder unter drei Jahren. 

Tickets auf musicals.de oder telefonisch unter 01805-4444* 

*(0,14 €/Min. aus allen dt. Netzen) 

HAMILTON auf Social Media 

Facebook: fb.me/HamiltonDeutschland 

Instagram: @Hamilton_Deutschland 

#HamiltonDasMusical #HamiltonMusical #HamiltonDE #HamiltonHH 

TANZ DER VAMPIRE ab November 2023 im Operettenhaus

Ab November 2023 werden die Vampire durch das Hamburger Operettenhaus tanzen. Das Stück zeichnet unter anderem aus, dass die Darsteller mehrmals durch die Gänge im Zuschauerraum laufen. 

Beim Gespräch mit Michael Rohde, darf natürlich eine wichtige Frage zu HAMILTONS Nachfolger nicht fehlen:

Herr Rohde, der Saal im Operettenhaus hat keinen Mittelgang und auch die Seitengänge sind sehr schmal und kurvig. Wie lässt sich also die Magie von TANZ DER VAMPIRE ins Operettenhaus zaubern?

„Wie das geschieht, verraten wir nicht, was wir aber versprechen ist: Unser Publikum wird auf jeden Fall in den Genuss kommen, Vampire fast hautnah zu spüren.“

Ein Versprechen für die Ewigkeit – na dann: BISS November!