„Ich wollte, dass es endlich aufhört“

„Was wir da wohl zu hören bekommen“, war der erste Gedanke. Ein Psychothriller sollte es sein, ein selbstverlegtes Buch, ein selbstproduziertes Hörbuch. Eigener Sprecher, eigens komponierte Musik. „Warum nicht. Mal etwas anderes“, dachten wir. Es war etwas anderes, etwas ganz anderes. 
„Irgendwann wollte ich nur noch, dass es endlich zu Ende ist. Dass Kurt Kühl aufhört den sieben Protagonisten seine Stimme zu geben“, erzählt unsere Redakteurin. Sieben Leben, sieben Menschen von nebenan. Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt, der genau so ist wie Ann, Junia, Thies, Theodor Stein und die anderen; und vor allem man selbst und sein nahes Umfeld.
Klar ist von Anfang an, dass in mehreren von ihnen unvorstellbare menschliche Abgründe gehegt und gepflegt werden. Das Schlimmste an allem ist, dass Kurt Kühl es ihnen, den Abgründen, erlaubt es sich im Ohr, im Kopf, im Bauch und im Verstand des Hörers häuslich einzurichten. Hin und her gerissen zwischen dem Wunsch nach Aufklärung, einer Sinnestäuschung, einem Happy End und der sehnlichst erwarteten Gerechtigkeit. Ob es die gibt? Ja, wenn es gerecht ist, dass sieben Leben niemals mehr sein werden wie vorher.
Wer kann sich solch einen Plot ausdenken? Wer schafft es, in Eigenregie, solch ein Produkt zu präsentieren? Wer kennt Menschen und Abgründe so gut ohne selbst einer der Protagonisten zu sein? Nienke Jos. 

Die Einsamkeit der Schuldigen (Klappentext)
Junia fährt als Mountainbike-Guide von einer Saison in die nächste. Ihr Kleiderschrank ist ein Koffer, ihr Rückzugsort ein Hotelzimmer, eine Privatsphäre gibt es nicht. Als ihr Wunsch nach einem echten Zuhause, ihre Sehnsucht nach einem konventionellen Leben übergroß wird, beschließt sie im Allgäu sesshaft zu werden. 

Ihr neuer Job in einem Sporthotel, die vielversprechende Beziehung mit Thies und endlich eine echte Wohnung: Alles scheint sich in die richtigen Bahnen zu lenken, als plötzlich eine  Teilnehmerin nach einer Mountainbike-Tour verschwindet. Vergeblich wird nach Ann Beck gesucht, aber die junge Frau bleibt unauffindbar. Niemand ahnt, dass sich in der Nähe eine abgelegene Hütte im Wald befindet. Versteckt hinter verschneiten Bäumen vergräbt sie ein Geheimnis unter sich, das seinen Weg bis ins entfernte Wiesbaden findet:
Dort gerät das Leben des Psychiaters Theodor Stein ins Wanken. Immer wieder begegnet er einer Fremden, die ihn verfolgt und beobachtet. Als er herausfindet, warum sie so verzweifelt seine Hilfe sucht, ist es längst zu spät. Er stößt auf eine ungeheuerliche Wahrheit, und ohne es zu wissen, sind plötzlich alle miteinander verknüpft. 
Ein Buch über das Zuhause und über den Zerfall, über Bedürfnisse und Angst, über die verpasste Gelegenheit, eine Geschichte noch zu wenden. 

Kein Scherz! Wir treffen die Autorin Nienke Jos tatsächlich an einem ihrer Tatorte, dem Gastwerk Degenhardt in Wiesbaden.

An einem verregneten Dezembermorgen brechen wir auf in die Landeshauptstadt. Wir  sind gespannt auf die Person, die es vermag abgrundtiefe Persönlichkeiten zu erfinden. Erkennen wir in ihr die Protagonisten? Vielleicht sogar die Schrecklichen?

Nein, wir erkennen rückblickend keinen, selbst Junia nicht, die zwar gleiche Interessen hat wie die Autorin, aber uns im Roman längst nicht so nah kommt wie Nienke Jos in Person. Feinfühlig, fröhlich, charmant. Bestimmt spürt sie unsere Erleichterung. Was dann folgt ist ein herrlich erfrischendes Gespräch über ihren Roman, wie er entstanden ist, warum die Charaktere so speziell sind (oder gerade nicht) und wie es weiter geht mit ihrer Arbeit. 

Über ein Jahr ist seit diesem Treffen vergangen und nun erscheint die Fortsetzung der Geschichte. Nicht mehr im Selbstverlag, sondern „ordentlich“ publiziert. 

 

Im Dezember 2017 erzählte die Autorin uns:
"Ich hatte nicht geplant, ein Buch zu schreiben, aber ich hatte eine Idee. Den Plot habe ich einer bekannten Autorin angeboten, aber sie hat sich nie gemeldet. Dann habe ich einfach losgelegt. Habe ein paar Monate lang jeden Abend geschrieben und dann war es ziemlich rasch fertig. Die Charaktere scheinen so speziell, weil der Leser ihre Gedanken schonungslos lesen und entsprechende Taten aushalten muss. Die Personen sind ja nichts besonderes, erschreckt ist der Leser oder Hörer, weil er im realen Leben diese Einblicke nicht bekommt."