Bühnenklassiker aus dem vorigen Jahrhundert: Joseph Kesselrings ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN (Foto: Björn Hickmann)

Geschwisterliebe par excellence – Abby und Martha Brewster sind sich einig: Alleinstehenden, einsamen Männern muss geholfen werden! Mit einem Glas Holunderwein und entsprechendem „Schuss“ befördern die Schwestern ihre Untermieter konsequent ins Jenseits. Die Leichen lassen sie von ihrem herrlich verrückten Neffen Teddy – er ist überzeugt, Teddy Roosevelt zu sein – in geheimer Staatsmission im Keller des Hauses verschwinden. Die ansonsten tugendhaften Schwestern leben äußert harmonisch in ihrem heimeligen Anwesen.  Alles läuft prima, bis Mortimer Brewster seinen geliebten Tanten auf die Schliche kommt und mit allen Mitteln versucht sie vor drohenden Strafen zu bewahren. Als dann ein weitaus umcharmanterer Serienmörder mitsamt Komplize und Leiche auftaucht, ist das Chaos perfekt. Leichen müssen versteckt und Polizisten beschwichtigt werden. Jede Menge Arbeit für Mortimer Brewster, der ganz nebenbei auch noch seine liebestolle Verlobte in Schach halten muss.  

ARSEN UND SPITZENÄUBCHEN von Joseph Kesselring ist ein Klassiker auf den Theaterbühnen. Das Theaterstück feierte seine Broadway-Premiere am 10. Januar 1941 im Fulton Theatre und wurde dort 1.444 mal aufgeführt.

Roland Riebeling (u. a. bekannt als TATORT-Ermittler) hat das Stück für die Wuppertaler Bühnen inszeniert und sich quasi nicht vom Ursprung entfernt. Requisiten, Dialoge und Aktionen sind wie im Original und genau das verleiht dem Stück einen nostalgischen Charme. Im Wohnzimmer der Familie Brewster (Bühne: Manfred Marczewski-Achilles) möchte man allzu gerne Platz nehmen und sich von den sittsam gekleideten Schwestern (Kostüme: Silke Rekort) kulinarisch verwöhnen lassen – solange man kein einsamer Mann ist. 

Eine großartige Genderidee war, die Hauptrollen zwei gestandenen Männern zu überlassen. Schauspielintendant Thomas Braus und sein langjähriger Schauspielkollege Stefan Walz verkörpern die mörderischen Schwester ohne jeden Hauch von billigem Klamauk. Im Gegenteil. Sie spielen die mitfühlenden Charaktere der Brewster-Schwestern so glaubwürdig, dass das Publikum sie an vielen Stellen im Stück einfach nur umarmen möchte. 

Kevin Wilke hat als Neffe Mortimer alle Hände voll zu tun und überzeugt mit fabelhafter Energie. Zuweilen muss er aufpassen, dass er sich nicht selbst übertrifft. Aber dazu später mehr …

Alexander Peiler hat die unliebsame Aufgabe, den kaltblütigen Serienkiller Jonathan Brewster zu mimen. Was ihm wunderbar gelingt. Seine Physiognomie erinnert an Frankenstein (Maske: Markus Moser) und seine cholerischen Anfälle lassen das Blut in den Adern gefrieren.

Julia Meier als Elaine Harper ist eine Vorzeige-Verlobte und spielt die frisch Verliebte mitreißend und bezaubernd. 

Silvia Munzón López spielt Dr. Einstein, den Gaunerkomplizen von Jonathan Mortimer. Quirlig, gelenkig und mit unglaublicher Mimik verleiht sie der Rolle eine eigene Dynamik.

Und was wäre dieser Klassiker ohne Leichen? Gleich zwei sind auf der Bühne vor aller Augen fantasievoll zu entsorgen: Leander Diadem und Eric Saborowski.

Doch zurück zum Stück. Die Inszenierung des Schauspiel Wuppertal ist besonders. Nicht nur wegen des originalgetreuen Bühnenbildes, der überzeugenden Dramaturgie (Elisabeth Wahle) und der vertauschten Geschlechterrollen. Sondern vor allem wegen der Gesamtleistung des Ensembles vor und hinter der Bühne. Denn, was bisher unerwähnt blieb ist die Tatsache, dass 15 unterschiedlichste Rollen von nur acht Darstellern mehr als glaubhaft zum Leben erweckt werden. Das ist eine Meisterleistung von Schauspieler, Maske und Kostüm, die seinesgleichen sucht. Nur ein Beispiel: Wenn Stefan Walz sich zu Beginn des Stücks von einem voll uniformierten Polizisten in die bieder gekleidete, geschminkte Abby Brewster verwandeln muss, hat er dazu 40 Sekunden Zeit.  Übrigens: Einige Zuschauer realisierten erst im zweiten Akt, dass Mortimer UND Teddy Brewster von Kevin Wilke gespielt wurden. Wenn das nicht der größte Beweis einer meisterhaften Vorstellung ist. 

Fazit: ARSEN UND SPIZTENHÄUBCHEN im Wuppertaler Opernhaus ist eine absolute Empfehlung an jung und alt für ein mehr als gelungenes Theatererlebnis. 

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Lust auf eine Auszeit bei den Brewsters?

Das Schauspiel Wuppertal zeigt ARSEN UND SPITZENHÄUBCHEN in insgesamt 16 Vorstellungen. Am 31.12. wird es eine Doppelvorstellung geben. Auf einen mörderischen Rutsch ins Neue Jahr 2024! (Ein Klick zu den Wuppertaler Bühnen)

Besetzung:
ABBY BREWSTER / BROPHY Stefan Walz
MARTHA BREWSTER / LEUTNANT ROONEY Thomas Braus
TEDDY BREWSTER / MORTIMER BREWSTER Kevin Wilke
JONATHAN BREWSTER / DR. HARPER / MR. GIBBS / MR. WITHERSPOON Alexander Peiler                                             ELAINE HARPER / O’HARA Julia Meier
DR. EINSTEIN Silvia Munzón López
MR. HOSKINS / MR. SPENALZO Leander Diedam / Eric Saborowski