Zwei Seiten der Medaille – die Erfolgsgeschichte der Isabell Werth

Rezension zum Buch „Vier Beine tragen meine Seele“ von Isabell Werth und Evi Simeoni

Isabell Werth und Bella Rose in Balve 2019

Nie fühlte ich mich privilegierter ein Buch zu besprechen, als bei diesem; und nie war es mir nützlicher die 50 überschritten zu haben; nie konnte ich an so vielen Stellen im Buch behaupten: Ich war dabei. Sei es als Zuschauer live im Stadion, am Bildschirm oder bei Pressekonferenzen. Ich meine sie alle zu kennen, die Glücksmomente, Niederlagen und Unpässlichkeiten der erfolgreichsten Reiterin aller Zeiten – Isabell Werth. 

In Kooperation mit der Sportjournalistin Evi Simeoni hat Isabell Werth viele Stationen ihrer Reiterkarriere auf 330 Seiten zusammengetragen, aufgearbeitet, neu bewertet und veröffentlicht. Der Titel „Vier Beine tragen meine Seele“ mag für jene, die die burschikose Pferdefrau zu kennen scheinen, zu seicht, zu esoterisch gewählt sein. Doch nach der Lektüre wird klar, hinter der Wettkämpferin steckt mehr als Ehrgeiz und Disziplin. Isabell Werth hat sich nicht nur mit Kopf und Körper den Pferden verschrieben, sondern hat an sie ihr Herz verloren und ihre Seele verschenkt. Zurück bekommen hat sie alles umso reicher.
Evi Simeoni ist Sportreporterin bei der FAZ und berichtet seit mehr als 30 Jahren über die Reiterei. Sie ist sicher auch eine von denen, die bei Rembrandt nicht an Malerei denken, sondern an Nicole Uphoffs Erfolgspferd. Und die bei Whitney Houstons Welthit „One moment in time“ gedanklich nach Seoul reisen und die Olympischen Spiele von 1988 lebendig werden lassen, bei denen Nicole Uphoff Doppelgold gewann.
Im vorliegenden Buch trifft sie genau den Ton, den man Isabell Werth gerne abkauft. Nicht abgehoben, keinesfalls trivial. Einige Passagen erscheinen mit nüchternem Charme, andere lassen den Leser aufhorchen und eintauchen in die oft rebellische Reiterwelt. Wer genau hinliest, erkennt in den Autorinnen zwei starke Frauen, die sich auf dieses gemeinsame Projekt eingelassen haben, jede eine Message transportierend.
In den zwölf Kapiteln von „Vier Beine tragen meine Seele“ wird erinnert, erklärt, gedankt und abgerechnet. Erinnert an Wegbereiter und -begleiter, allen voran Dr. Uwe Schulten-Baumer und Madeleine Winter-Schulze; erklärt werden Zusammenhänge, Lektionen und – wie spannend – sich selbst; abgerechnet wird mit Vereinigungen, funkionärsgesteuerten Richtern und der Konkurrenz. Trotz brisanter Kapitel über Doping, Totilas und Rollkur steht der Dank an die vielen Meister ihres Fachs im Vordergrund: die Pferde. Von Gigolo über Satchmo und Weihegold bis hin zu Bella Rose und vielen weiteren grandiosen Lehrmeister der Isabell Werth.
Familie und Freunde finden wenig Erwähnung in dem Buch, was einige Fans vielleicht schade finden, aber was genau der Natur der Rheinbergerin entspricht. Sie weiß um den Rückhalt ihrer Eltern, ihres Lebenspartners Wolfgang Urban und ihres fast 10-jährigen Sohnes Frederik, das muss reichen.
Die Leserschaft dieses Buches dürfte breit gefächert und dennoch speziell sein. Von Ponyhof bis Tierschutz; von Freizeitreiter bis Spitzensportler; von Bewunderer bis Neider. Doch eines verbindet alle Leser von „Vier Beine tragen meine Seele“: die bedingungslose Liebe zu unseren wunderbaren Pferden, der jede genannte Gruppe auf ihre eigene Weise Ausdruck verleiht.
Unser Fazit: Ein ehrliches Buch über das Berufsleben einer Ausnahmesportlerin, der Siege zwar wichtig, der Weg dahin aber wertvoller erscheinen. Der Leser lernt eine verletzliche, hadernde, zeitweise hilflose Isabell Werth kennen, erinnern wird er sich aber an eine authentische, humorvolle, charismatische Reiterin, die polarisiert, kämpft und siegt – für sich selbst, die Reiterei und die, die ihr am Herzen liegen.

  • Gebundene Ausgabe: 336 Seiten
  • Verlag: Piper (30. August 2018)
  • ISBN-10: 9783492059084

Klappentext:

Isabell Werth ist die erfolgreichste Reiterin der Welt. Dieser Erfolg wäre nicht möglich gewesen ohne ihren einzigartigen Zugang zu Pferden. Gemeinsam mit der renommierten Sportjournalistin Evi Simeoni, die Isabell Werths Werdegang von Anfang an miterlebt und beschrieben hat, zeichnet sie ihr Leben nach und erzählt damit auch die Geschichte ihrer wichtigsten Pferde. Schon in ihrer Kindheit auf dem Bauernhof am Niederrhein zeigte sich ihre besondere Fähigkeit, sich in ein Pferd einzufühlen und vorauszusehen, wie es wenig später reagieren wird. So erfährt man nicht nur etwas über Isabell Werths Ausnahmekarriere, sondern auch viel über unterschiedliche Pferdecharaktere und den Umgang mit diesen sensiblen und talentierten Tieren.