Interview mit einem Vampir – Graf von Krolock schickt seine Darsteller Filippo Strocchi und Jonas Hein
Noch bis zum 22. März läuft das Kultmusical TANZ DER VAMPIRE rund um die Gelüste des düster-melancholischen Schlossherren Graf von Krolock im Metronom Theater in Oberhausen. Danach zieht die Longrun-Produktion weiter nach Stuttgart.
Am 22. März wird nicht nur die Crew aus Transsilvanien verabschiedet. Es bedeutet aller Vorausicht nach auch ewige Dunkelheit für das Metronom Theater. Die Produktionsfirma STAGE Entertainment wird den Standort Oberhausen nicht weiter betreiben und über 90 Mitarbeiter werden ihre Jobs verlieren. Und die Region einen kulturellen Hotspot.
Theater-Schließungen sind auch andernorts ein Thema. So wird in Essen über die zukünftige Nutzung des Colosseum Theaters entschieden. Mehr und mehr städtische Bühnen entscheiden, Musicalproduktionen in die Spielpläne aufzunehmen und präsentieren so ein noch breiteres Angebot im Bereich Kunst und Kultur. Die Erfolge sprechen für sich, denn die Besucherzahlen steigen. Die Musicalszene verbindet Generationen und entführt in eine Welt aus Geschichten und Fantasie. Was für eine herrliche Abwechslung zum digital dominierten Alltag.
Apropos entführen. Kaum ein Musical zieht seit mehreren Jahrzehnten die Zuschauer so in seinen Bann wie Roman Polanskis TANZ DER VAMPIRE. Die Blutsauger rund um ihren Boss Graf von Krolock wecken seit ihrer Premiere 1997 die Lust auf mehr. Mehr Begierde, mehr Unsterblichkeit und mehr subtile Erotik. Im Interview erzählen Filippo Strocchi und Jonas Hein wie sie den Mythos Krolock erleben und warum der Beruf des Musicaldarstellers trotz aller Digitalisierung ewig lebendig bleiben soll.
Filippo Strocchi schloss seine Ausbildung an der Bernstein School of Musical Theater in Bologna mit Auszeichnung ab und gab sein Debüt 2006 als Danny Zuko bei der Italien Tournee von Grease. Für diese Rolle gewann er 2007 den Nationalen Sandro Massimini Preis als „Bester Darsteller im Musical“. 2009 war er als Cover Fiyero in Wicked – Die Hexen von Oz in Stuttgart zu sehen. Anschließend kehrte er nach Italien zurück und spielte Link Larkin in Hairspray. Zu seinen weiteren Engagements zählen u.a. Nick Hurley in Flashdance (Italien Tournee), Anthony in Sweeney Todd sowie Mercutio in Romeo und Julia (Rom und Italien Tournee), DJ Monty in Saturday Night Fever (Mailand) und Rum Tum Tugger in Cats (London und Tournee). Filippo begeisterte als Emcee in The Hole in Mailand, Barrett in Titanic in Bologna und Che in Evita in Rom und auf Tournee. 2017 war er als Tony Manero in Saturday Night Fever auf der Walensee-Bühne zu sehen. Danach stand er in Wien bei TANZ DER VAMPIRE, u. a. als Graf von Krolock auf der Bühne. Ende 2018 übernahm er die Erstbesetzung des Grafen bei der Wiederaufnahme des Stückes im Stage Theater des Westens in Berlin. 2019 war er erneut als Tony Manero in Saturday Night Fever im Stadttheater Ingolstadt, als Pilatus in der konzertanten Fassung von Jesus Christ Superstar bei den VBW in Wien und als Riff Raff in der Rocky Horror Show beim Musicalsommer Amstetten zu sehen.
(Quelle: Stage Entertainment)
Filippo Strocchi im Interview
Möchtest Du ewig leben?
Nein, weil man sonst nicht jeden einzelnen Moment in seinem Leben genießen kann.
Ist Krolock Italiener?
Nein! Als Italiener liebe ich Knoblauch. Krolock kommt eindeutig aus Transsylvanien.
Hast Du Heimweh?
Nein, nie. Mein Zuhause ist die Bühne. Ich lade gerne meine Bruder und meine Mutter ein, mich in der Show zu besuchen. Zu Weihnachten fahre ich nach Italien. So ist mein Job – ich liebe es so, wie es ist.
Du bist mit Ende 30 ein erfahrener Darsteller. Wie verändern sich die Rollenangebote und Deine Art sie zu darzustellen?
Das Alter der Rolle ist egal. Egal, wie alt die Rolle ist, wir müssen sie verkörpern. Manchmal helfen eigene Erfahrungen, manchmal auch nicht. Man spielt mit den unterschiedlichen Charakteren. Ich war ja auch im echten Leben noch nie ein Vampir.
Wie lässt sich das digitale Zeitalter mit Bühnenstücken verbinden? Geht das überhaupt? Was kann oder was muss sich verändern?
Das digitale Zeitalter ist einfach ein Plus. Wichtig ist, was wir Darsteller auf die Bühne bringen, unsere eigene Wahrheit, unser Herz. Das Digitale kann immer nur eine Ergänzung sein.
Wie wichtig ist Social Media für Dich als Darsteller?
Für mich als Darsteller ist Social Media wichtig. Man kann dadurch z. B. einen Job bekommen oder Konzerte organisieren.
Und als Privatperson?
Privat kann ich dadurch den Kontakt zu meinen Freunden und Familie halten. Social Media mach das Leben einfacher.
Wie sieht eine erfolgreiche Produktion in fünf Jahren aus?
Hoffentlich genauso wie heute. Es gibt Shows die sind zeitlos. Die Zuschauer sollen in eine andere Welt entführt werden, ihren Alltag vergessen. Natürlich müssen Stücke zeitgemäß sein, aber Klassiker wird es immer geben.
Dein Rat an Newcomer? Dos und Donts.
Man muss verstehen, welche Rollen man spielen kann. Sowohl stimmlich, als auch körperlich. Als Darsteller muss man fit sein und auf seinen Körper achten. Und ganz besonders wichtig: Gib niemals auf, auch wenn Du mal eine Absage bekommst!
Dein Beruf, wenn Du kein Darsteller geworden wärest?
Vielleicht Profi Fußballer. Ich habe 11 Jahre lang Fußball gespielt und war sehr gut. Dann habe ich mich verletzt und musste meine Lebensplanung komplett ändern. Aber ich bin sehr glücklich und zufrieden mit dieser „Änderung“. Ich will nichts anderes machen.
Du hast Wünsche frei: „In fünf Jahren möchte ich….
… noch gesund sein und auf der Bühne stehen.
Jonas Hein studierte Gesang, Schauspiel und Tanz an der Folkwang Universität der Künste in Essen. 2007 zählte er zu den Preisträgern des Bundeswettbewerbs Gesang in Berlin. Nach seinem Diplom spielte er bei den Vereinigten Bühnen Bozen in Ein Käfig voller Narren. Von 2010 bis 2014 war er festes Mitglied der MusicalCompany am Theater für Niedersachsen und war dort in über 20 Produktionen zu sehen, u. a. Sweeney Todd und Hair, in deutschsprachigen Erstaufführungen wie Side Show und Children of Eden u.a. als Gabe in Next to Normal. 2012 war Jonas Hein Kandidat bei der TV Show The Voice of Germany und arbeitete mit Xavier Naidoo zusammen. Nach Stationen am Theater Bielefeld, Staatstheater Meiningen und am Berliner Ensemble war er als Cover Quasimodo bei Disneys Der Glöckner von Notre Dame zu sehen – ab Mai 2018 als Erstbesetzung.
Als Jacob im Musical Jacob und Wilhelm – Weltenwandler bei den Brüder-Grimm-Festspielen Hanau wurde Jonas Hein als Bester Darsteller für den Deutschen Musical Theaterpreis 2019 nominiert. Seit Herbst 2019 gehört Jonas Hein zum Ensemble von TANZ DER VAMPIRE und spielt im Ensemble und als Cover Graf von Krolock.
Jonas Hein im Interview
Wieviel Krolock steckt in Jonas?
In mir steckt nicht viel Graf von Krolock. Aber gerade das macht für mich den Reiz aus in diese Rolle zu schlüpfen und Seiten an mir kennenzulernen, die ich sonst im Privatleben nicht habe.
Was magst Du lieber: Ensemble oder Boss?
Beides hat seine Vor und Nachteile. Im Ensemble agiert man in der Gruppe und es macht sehr viel Spaß gemeinsam eine tolle Dynamik zu kreieren. Andererseits hat man als Hauptfigur natürlich die Möglichkeit mehr von sich zu zeigen. Der Druck ist aber auch gleich höher.
Wie wichtig ist Social Media für Künstler?
Social Media ist aus der Musical Branche nicht mehr wegzudenken. Es hilft Termine zu teilen, Aufmerksamkeit auf neue/aktuelle Projekte zu lenken und mit Fans in direkten Austausch zu kommen.
Social Media, Dein Privatleben und die Fans – eine Gratwanderung?
Natürlich gibt es, wie für alles im Leben, immer ein gesundes Mittelmaß. In den Sozialen Medien ist es mir wichtig prinzipiell mein Privatleben so gut es geht raus zu halten. Auch im Kontakt mit Fans versuche ich es immer auf meinen Beruf zu „beschränken“. Das schafft klare Verhältnisse.
Was kommt nach TDV?
Nach drei sehr intensiven Jahren habe ich mir für 2020 vorgenommen ein wenig kürzer zu treten und meine Energie wieder aufzutanken. Ich werde natürlich nicht ganz verschwinden und man kann sich auf ein paar coole Projekte freuen.
(*Anm. der Redaktion: Jonas Hein wird auf seinen Social Media Kanälen über neue Projekte berichten)
Staatliches Theater oder Musicalproduktion – was magst Du lieber?
Ich spiele sehr gerne sowohl am Stadt/Staatstheater als auch in Long-Run Produktionen. Solang mich Stück und Rolle ansprechen und ich für die jeweilige Position in Frage komme.
Familie und Beruf. Wie managt Du das?
Es ist oft sehr schwer beides unter einen Hut zu bekommen und ich muss viele Kompromisse eingehen. Aber meine Familie unterstützt mich voll und ganz und verstehen, dass ich nicht immer zu Verfügung stehen kann. Um so schöner ist es, wenn man dann mal wieder in der Heimat ist.
Was würdest Du tun, um junge Menschen für Theaterbesuche zu begeistern?
Gute Frage. Ich denke, wir leben in einer Gesellschaft in der es sehr schwer ist für Kunst und Kultur zu begeistern. Alles wird immer schneller, lauter und bunter und gerade in der Unterhaltungsbranche gibt es ein riesiges Angebot an Möglichkeiten. Ich würde mir wünschen, dass das Theater/Musical – Angebot in Deutschland mehr den Zeitgeist der Jugend trifft und Themen auf der Bühne behandelt werden, mit denen sich junge Leute identifizieren können.
„My fair lady“ & Co sind schön und gut, aber für Jugendliche völlig uninteressant.
Du hast Wünsche frei: „In fünf Jahren möchte ich….
… gesund und immer noch glücklich sein mit dem was ich tue.