Dortmund am Wolfgangsee – Sommerfrische garantiert

Das Theater Dortmund ist auf Kurs, auf Erfolgskurs. Es schippert über den Wolfgangsee und macht Halt „Im weißen Rössl“.

Das Singspiel aus dem Jahr 1930 mag zunächst ein bisschen verstaubt klingen, aber für die Produktion am Dortmunder Opernhaus hat es sich herausgeputzt. Regisseur Thomas Enzinger führt das Stück gemeinsam mit Ramesh Nair (Co-Regie, Choreografie), Toto (Bühne und Kostüme) und Laura Knoll (Dramaturgie) in die neuen Zwanzigerjahre. Das auffälligste Stilmittel – und Stilbruch zugleich, ist die hip-hoppende Rapperin Kathi (Johanna Schoppa). Mit Bühnenpräsenz und unbändiger Spielfreude erobert sie die Herzen des Publikums und instruiert, wo die Reise hingeht. Nicht nur an den idyllischen Wolfgangsee, sondern zurück ins Hier und Jetzt zu den aktuellen Krisenherden der Moderne.

Doch die meiste Zeit heißt es für die Zuschauer: Zurücklehnen und das bunte touristische Treiben rund um die legendäre Kultgastronomie „Im weißen Rössl“ betrachten! Dabei ist es gar nicht so leicht, sich auf die Akteure zu konzentrieren, denn das fulminante Bühnenbild drängt sich latent in den Vordergrund. Immer wieder lenkt das überdimensionale weiße Ross das Auge auf sich und scheint den Blick versperren zu wollen auf die Irrungen und Wirrungen des Herzens und den Konkurrenzkampf zweier Unternehmer. Als dann jedoch der Kaiser seinen Besuch ankündigt, büßt der gigantische Pferdekopf a bisserl von seiner Präsenz ein und das Publikum kann nicht umhin, dem österreichischen Monarchen seine Aufwartung zu machen. Getrieben von den Bemühungen des übereifrigen Zahlkellners Leopold lässt man sich ein auf stehende Ovationen und melodische Huldigungen mitten im Stück; eine Gratwanderung zwischen Amüsement, Patriotismus und Albernheit. Das Amüsement hält knapp die Oberhand.

Zum Glück gibt es Professor Dr. Hinzelmann (Frank Voß). Er scheint einer der wenigen zu sein, die wissen, worauf es wirklich ankommt. Philosophisch hat er immer ein halbvolles Glas in der Hand, selbst wenn quasi der letzte Tropfen fehlt. Ein liebenswerter Chrarakter, der den Theatersaal mit einem gefühlvollen Solo entrückt – ein selten besinnlicher Moment in dem sonst flotten, humorigen Singspiel.

Der Liebesreigen des Zahlkellners Leopold (Matthias Störmer) um die Wirtin Josepha Vogelhuber (Irina Simmes) steht auch in der adaptierten Bühnenfassung thematisch im Mittelpunkt, buhlt aber nicht um Aufmerksamkeit. Und das ist gut so, denn die anderen Protagonisten verdienen es, betrachtet, gehört und genossen zu werden. 

„Im weißen Rössl“ kommen Liebhaber der leichten Unterhaltung voll und ganz auf ihre Kosten. Einigen Solisten scheinen die Rollen auf den Leib geschneidert. Allen voran Matthias Störmer, der als „echter“ Österreicher den Leopold entstaubt und neu erfindet. Steffen Scheumann ist der Inbegriff von Berliner Herz und Schnauze. Als Fabrikant Wilhelm Giesecke avanciert er im Laufe des Stücks zum Publikumsliebling. Als geheimes Traumpaar präsentieren sich Karen Müller aka Klärchen Hinzelmann und Morgan Moody in der Rolle des schönen Sigismund Süzlheimer. Mit einer herzerfrischenden Mischung aus Klamauk und Tragik stellen sich diese beiden der Realität und halten mit nichts hinterm Berg – auch nicht mit erotischen Anspielungen.

Garant für Gänsehaut und audiovisuelle Highlights ist – wie immer – der Dortmunder Opernchor unter der Leitung von Fabio Mancini. Im Zusammenspiel mit den Dortmunder Philharmonikern bieten sich den Zuschauern herrliche Genüsse, die noch nachhallen, wenn die Lichter im Weißen Rössl schon längst erloschen sind. 

Unser Tipp: Anschauen! Bitte sehr, bitte gleich!

 

„Im weißen Rössl am Wolfgangsee, da steht das Glück vor der Tür ...“ – doch bevor jeder Einzelne das seine gefunden hat, geht es turbulent zu! Der Zahlkellner Leopold ist unsterblich aber aussichtslos in Josepha verliebt, die Wirtin des Hotels Im weißen Rössl. Sie hingegen schwärmt für den treuen Stammgast Dr. Siedler, dem sie stets das beste Zimmer reserviert. In diesem Jahr quartiert der tief gekränkte Leopold dort aber den bärbeißigen Berliner Fabrikanten Giesecke und seine Tochter Ottilie ein. Dieser findet schnell eine neue Quelle der Aufregung, denn mit Sigismund Sülzheimer erscheint der Sohn seines Prozessgegners auf der Szene. Der knausrige Professor Hinzelmann und seine Tochter Klärchen komplettieren schließlich die Ferientruppe und mit mal schüchternen, mal verwegenen Flirtmanövern im Freibad oder auf Bergesspitze finden sich die Pärchen. Selbst Leopold kann am Ende das Herz seiner stolzen Angebeteten für sich gewinnen. Happy End im Salzkammergut! Mit Im weißen Rössl schuf Ralph Benatzky eine knallbunte, herrlich kitschige und ohrwurmlastige Revue-Operette, die mittlerweile Kultstatus genießt. Changierend zwischen Wiener Schmäh, alpenländischer Lebensfreude und Berliner Schnoddrigkeit lädt das Werk ebenso zum herzhaften Lachen wie zum Nachdenken ein. Mit viel Schwung, bekannten Melodien und berührenden Dialogen.

Besetzung

 
  • Josepha Vogelhuber: Irina Simmes
  • Leopold Brandmeyer: Matthias Störmer
  • Wilhelm Giesecke: Steffen Schortie Scheumann
  • Ottilie: Giulia Montanari
  • Dr. Otto Siedler: Fritz Steinbacher
  • Sigismund Sülzheimer: Morgan Moody
  • Prof. Dr. Hinzelmann: Frank Voß
  • Der Kaiser: Ks. Hannes Brock
  • Klärchen: Karen Müller
  • Der Piccolo: Tomas Stitilis
  • Kathi: Johanna Schoppa
  • 8 Tänzer_innen: Nicole Eckenigk, Selly Meier, Karen Müller, Anna Pinter, James Atkins, Stephen Dole, Erik van Hoof, Torben Rose
  • Mit dem: Opernchor des Theater Dortmund
  • Mit den: Dortmunder Philharmonikern
  • Mit der: Statisterie der Oper Dortmund
  • Musikalische Leitung: Philipp Armbruster
  • Regie: Thomas Enzinger
  • Bühne und Kostüme: Toto
  • Chor: Fabio Mancini
  • Dramaturgie: Laura Knoll
  • Co-Regie und Choreografie:Ramesh Nair
  • Licht: Sabine Wiesenbauer, Florian Franzen
  • Regieassistenz: Dominik Kastl
  • Bühnenbildassistenz: Emine Güner
  • Kostümassistenz: Maren Sielaff
  • Inspizienz: Ulas Nagler, Alexander Becker
  • Soufflage / Dance Captain:Adriana Naldoni
  • Produktionsleitung: Fabian Schäfer

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